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Montag, 15. Oktober 2012

Tag 209: Von Sunny Beach nach Pomorie - 17Km (2378Km)


Freitag, 05.10.2012

Robin muss sehr früh weg da er etwas in Burgas zu erledigen hat. Wir frühstücken noch eine Kleinigkeit gemeinsam dann verabschieden wir uns.

Er lässt mich allein in seinem Appartement.
Und das, nachdem er schon sehr viele schlechte Erfahrungen mit Menschen gemacht hatte wie er mir erzählte.
Er wurde von von einer Dame hier in seiner Wohnung bestohlen und ist auch schon einmal auf der Strasse zusammengeschlagen und ausgeraubt worden.
Und trotzdem hat er sein Vertrauen in die Menschen nicht verloren.

Ich möchte seinen Glauben und sein Vertrauen in die Menschheit haben.
Ich möchte die Fähigkeit haben welche es ihm ermöglicht mir, nach all dem was ihm widerfahren ist, so zu Vertrauen.

"Take it easy but take it anyway" waren seine Worte zum Abschied.
Ich bedanke mich sehr für seinen Vertrauensbeweis.
Gerne hätte ich noch etwas gesagt doch passende Worte fielen mir in dem Augenblick nicht ein.

Ich reiste heute zum 15Km entfernten Kloster St. Georgi im Ort Pomorie. Den Tipp bekam ich von einem Facebook Freund.

Doch zuvor, auf dem direkten Weg dorthin liegt die wunderschöne alte Stadt Nessebar. Diese ist Unesco Welt Kulturerbe.
Die Geschichte dieser Stadt geht bis auf das 5. Jahrhundert vor Christi zurück wo sie von Griechen besiedelt wurde.
Ich verbringe dort einige Zeit, schlendere durch die kleinen Gassen und schaue mir die alten Gebäude an.
Ich erfahre dass ein recht großer Teil der Stadt viel weiter draussen im Meer war und bereits unter Wasser liegt.

Nach einer ausgiebigen Pause mache ich mich anschließend weiter auf den Weg nach Pomorie zum Kloster.

Dort werde ich sehr herzlich empfangen. Einer der 4 Mönche welche hier leben spricht sehr gut englisch.
Ich freue mich auf den Austausch mit ihm.

Zum Abendessen gibt es Fisch. Ich bin mir nicht sicher. Vielleicht war es ein Wal. Jedenfalls ist er riesig und sehr lecker.
Ich kam beim gemeinsamen Abendessen mit einem russischen Künstler ins Gespräch.
Vladimir lebt hier im Kloster und hat seit 1nem Jahr auch sein Atelier hier. Er verdient mit den Gemälden sein Geld und er hilft den Mönchen bei der Restauration des Klosters.

In Russland ist es Tradition nach dem Abendessen eine Tasse schwarzen Tee zu trinken wozu er mich herzlich eingeladen hat.
Bei russischer Musik und gutem Tee sitzen wir bis spät in die Nacht in seinem Zimmer und unterhalten uns, schweigen gemeinsam und bewundern seine Bilder...

Dienstag, 9. Oktober 2012

Tag 206: Von Gyulyovtsa nach Sunny Beach - 19Km (2361Km)


Dienstag, 02.10.2012

Wieder eine eMail von meiner Facebook Freundin Leanne.
Ein weiterer Couchsurfing Gastgeber hat sich gemeldet und mich nach Sunny Beach eingeladen.
Es ist nur 19Km entfernt und somit das Ziel des heutigen Tages.

Zur besseren Absprache hat sie ihm noch meine Telefonnummer mitgeteilt.
Ich baue also mein Zelt ab und wasche mich etwas an der Quelle
Dann esse ich noch die Reste von gestern und los geht's.

Noch nicht aus dem Ort draußen überholen mich 2 schwer bepackte Radfahrer. Das sieht man in dieser Gegend nicht all zu oft.
"How is going?" frage ich laut. Die beiden bleiben stehen und wir beginnen eine angeregte Unterhaltung.
Anita und Stuart sind aus England und wollen mit dem Rad nach Indien. Bisher sind sie seit 3 Monaten unterwegs. Über 30min. unterhalten wir uns und tauschen Reiseerfahrungen und Geschichten aus.
2 Frohnaturen vor dem Herren. Wir lachen bis es weh tut.
Ihre Reise könnt Ihr hier verfolgen:
www.stunita.co.uk

Wir verabschieden uns und wünschen uns alles Gute für unsere weitere Reise.
3 Tage später haben sie schon das 400Km entfernte Istanbul erreicht...

Es klingelt grad das Telefon.
Robin, mein heutiger Gastgeber ist dran.
Ich befinde mich gerade mitten im großen Nichts zwischen den Ortschaften. Er spricht sehr leise. Fast geheimnisvoll.
"Wo befindest Du Dich gerade?" fragt er. Ich sage, "Keine Ahnung wo ich genau bin, aber ca. 4h von Sunny Beach entfernt."
Es ist kurz still am anderen Ende.

Dann fährt er fort: "In Sunny Beach gibt es eine Bar, Jacks Bar. Wir treffen uns um 16Uhr dort. Ich werde auf der Terrasse sitzen.
Du erkennst mich daran dass ich einen Comic mit dem Namen "The Sun" bei mir haben werde. "

Klingt wie eine Szene aus einem Krimi?
Das passt! Er ist Schriftsteller.
Er fragt mich wie er mich erkennt.
Zu seinem Unverständnis muss ich laut lachen.
Ich sage ich habe einen Rucksack dabei der meinen Kopf übersteigt.
Davon sind nicht so viele in dem Café.
Jetzt muss auch er lachen.
Seine Stimme ändert sich, wird fröhlicher.
Er sagt es war nur ein Scherz, er nimmt Leute gern am Telefon aufs Korn...
Das ist sein schwarzer Humor.

Robin ist fantastisch. Er ist 68, kommt aus Irland und ist wie erwähnt Schriftsteller und zusätzlich freier Journalist.
Und er ist nicht gerne allein. Deshalb lädt er gern, und auch häufig, Couchsurfer zu sich ein.

Viele schmeißt er sehr bald wieder raus da sie nur herkommen um sich eine schöne Zeit am Strand zu machen, sich zu betrinken, das ganze Haus aufwecken wenn sie wieder zurück kommen nur um dann gleich wieder zu verschwinden.

Ich bin froh dass ich nicht in dieses Profil passe und 3 Tage bei ihm bleiben darf. Wir kommen super aus.

Das er länger alleine war hat seine Spuren hinterlassen wie er mir berichtet. Er hat sich einige schlechte Gewohnheiten angeeignet.
Er schreibt die ganze Nacht an seinem Buch bis es hell wird. Erst dann geht er zu Bett.

Wie lange er schon allein lebt, frage ich.
Er wendet seinen Blick hinaus aus dem Fenster.
Lange Stille. Ich fühle mich etwas unangenehm und bin mir nicht sicher ob es eine gute Idee war, diese Frage, so zu stellen.
Sehr langsam kommt sein Blick von ganz weit her zurück ins Zimmer.
Er schaut mich an, und beginnt zu erzählen.

Seine Frau ist vor 3 Jahren an Krebs gestorben.
Sie war in einer Kuranstalt als die Ärzte ihr sagten dass sie nur noch 9 Monate zu leben hätte.
Daraufhin hat Robin seine Frau aus der Klinik rausgeholt.
Alle Ärzte haben ihnen davon abgeraten.
In ihrer Situation wäre es das beste wenn sie in ruhe gelassen und nicht irgendwelchen Stress und Strapazen ausgesetzt wird, sagte man ihnen.
Doch beide waren sich einig dass sie nicht in der Kuranstalt sterben wollte. Nicht so.
Also verliessen sie die Kur und fingen an zu reisen.
Indien, Asien, Australien, Canada, Südamerika...
Die Liste ist lang und es gibt nur wenige Länder wo sie nicht waren.
Sie lebte noch 1 Jahr und 2 Monate. Und sie haben das beste aus dieser Zeit gemacht. Jeden Tag.
Sie haben gelebt. Gemeinsam.

Ich bin überwältigt. Er gab seiner Frau das größte Geschenk was man jemandem geben kann.
Liebe und Zeit. Die Freude am Leben zu sein.
"Wenn man jeden Tag lebt, als wäre es der letzte, wird man eines Tages damit recht haben."

Wieder sitzen wir lange Zeit in der Stille...
Unsere Blicke gehen in's leere...


An den kommenden beiden Tagen finden wir viele Gesprächsthema.
Durch seine Tätigkeit als Journalist hat Robin viele Freunde. International.
Wir, Robin und ich, können über alles reden Politik, Religion...
Er hat Freunde in China.
Wenn er eMails mit ihnen schreibt oder mit ihnen telefoniert sind diese Themen Tabu.
Zum Schutz seiner Freunde.
So selbstverständlich wie unsere Freiheit ist, ist sie also garnicht.
Nicht für alle Menschen auf der Welt...



Montag, 8. Oktober 2012

Tag 205: Von Dyulino nach Gyulyovtsa - 24Km (2342Km)


Montag, 01.10.2012

Es ist Montag und keiner hat's gemerkt.
So schön das Meer ist, umso schöner ist die Ruhe hier auf dem Land.

Wir frühstücken über 2h. Zusammen machen wir den ganzen Topf Milch alle und ich lerne meine ersten bulgarischen Worte.
Seine Mutter ist 86, topfit und schwört auf die Milch welche sie jeden morgen mit eigenen Händen melkt.
Sie ist nie krank.

Zum Abschied bekomme ich noch ein Lunchpaket bestehend aus Brot, frischen selbstgemachten Käse und Gurken und Tomaten aus dem Garten.
Mit gut 1,5Kg mehr auf dem Rücken geht es nun weiter.

Was für ein wunderschöner Weg heute. Ich bin so dankbar.
Bleibe oft stehen und schaue einfach nur in die Landschaft.
Ich habe das Gefühl die Straße und die Bäume wussten dass ich hier irgendwann einmal entlang kommen werde. Sie haben auf mich gewartet.
Plötzlich fährt der Wind durch die Blätter und sie bewegen sich auf und ab. Als ob sie sagen: Ja, wir haben auf Dich gewartet.
Ich spreche nicht zu den Bäumen, ich spreche mit ihnen.

Es geht noch einmal 9Km bergauf und anschließend wieder bergab.
In Gyulyovtsa angekommen mache ich erst einmal eine Pause.
Ich finde eine Quelle mit herrlich frischem Wasser.

Wenige Meter weiter am Ortsanfang komme ich zu einem Supermarkt. Auf meine Frage ob es ein Hotel/Pension oder ähnliches gibt heißt es: nein.
Auch ein Taxifahrer welcher gerade herein kommt bestätigt dies.

Ich bleibe vor dem Supermarkt sitzen. 1h lang. Ich will gerade wieder aufbrechen da spricht mich ein Mann an.
Er meint dass nur wenige Meter ausserhalb vom Ort ein Gasthaus ist.
Dort probiere ich es auch.
Nur lässt der Inhaber nicht davon ab dass das Zimmer 35Lev kostet. Kostenfrei ist da nichts zu machen.
Etwas geknickt mache ich mich vom Hof und laufe wieder in den Ort zurück. Unterwegs frage ich viele Anwohner nach einer Übernachtungsmöglichkeit.
Leider nichts.

Ich finde im Dorfzentrum ein großes Gebäude, vielleicht das Rathaus.
Es sendet WiFi aus, eine Quelle für Wasser befindet sich gleich daneben und sogar eine außen Steckdose ist vorhanden.
Essen habe ich noch genug aus meinem Lunchpaket von heute morgen.
Mehr brauch ich nicht.
Das Zelt ist schnell aufgebaut...

Tag 204: Von Priseltsi nach Dyulino - 22Km (2318Km)


Sonntag, 30.09.2012

Nach dem Frühstück verabschiede ich mich von der fantastischen Familie welche mir für 3 Tage ein zu Hause gab. Ein Foto gibt es leider nicht da sie nicht im Internet erscheinen möchten.

Endlich weg von der stark befahrenen Nationalstraße geht es weiter auf einer fantastisch ruhigen Landstraße. Einen kleinen Haken gibt es. Es geht die ganze Zeit bergauf. Doch die meiste Zeit davon im Schatten der Bäume.

Ich erreiche den Ort Dyulino.
Zuerst sehe ich ein sehr großes Haus. Für mich sieht es wie ein Hotel oder eine Pension aus.
Dort klingel ich und frage nach einer Übernachtung.
Der Herr hat leider keine Zimmer zu vergeben.
Doch gleich um die Ecke ist ein Restaurant. Dort solle ich nachfragen sagt er.

Und tatsächlich. In dem Restaurant selbst gibt es zwar keinen Schlafplatz, doch kennt die Besitzerin jemand im Ort der Betten frei hat.
2 Jungs die gerade im Restaurant sind führen mich dort hin.

Der Herr, der sehr gut deutsch spricht weil er lange Zeit in Deutschland gearbeitet hat, ist von meiner Wanderung sehr fasziniert und nimmt mich kostenfrei auf.

Bis vor 15 Jahren war er Truckfahrer in sehr vielen europäischen und asiatischen Ländern.
So war er unter anderem auch im Iran, in Pakistan und sehr viel in der Türkei unterwegs.
Er holt die Karten der verschiedenen Länder hervor.
Mit dem Finger fahren wir über Flüsse, Felder und Grenzen...
Die Welt wird ziemlich klein. Mein Ziel ist nur ein paar Fingerlängen von dem Punkt entfernt an dem ich mich gerade befinde.
Und wir reisen gemeinsam...
Er schwelgt in Erinnerungen, ich in Visionen...

Tag 201 - 203: Von Varna nach Priseltsi - 21Km (2296Km)


Donnerstag, 27.09.2012 - Samstag, 29.09.2012

Ich hab mein Lachen wieder. Die Schmerzen im Fuß sind auch weg.
Es scheint als bin ich nun in Bulgarien angekommen. Brauch aber dringend eine Pause.
6 Tage durchgelaufen, das schlaucht. Von Rumänien verwöhnt, bin ich es nich mehr gewöhnt...

Und irgendwie muss das jemand gehört haben denn es läuft heut alles nach Drehbuch.

Es geht nun also von der Küste weg und etwas weiter ins Land hinein.
Nach 21Km entschließe ich im Ort Priseltsi zu bleiben und eine Unterkunft zu suchen. Der nächste Ort wäre erst wieder in 7Km was mir für heut jedoch zu viel ist.

Ich frage den Polizisten welchen ich vor der Wache treffe ob es im Ort Übernachtungsmöglichkeiten gibt.
Es gibt eine kleine private Pension sagt er. Er wisse jedoch nicht ob noch jemand da wäre.
Es ist nicht weit und ich mache mich auf den Weg.

Ich finde die Pension. Es handelt sich um ein altes jedoch in bestem Zustand gehaltenen bulgarischen Bauernhaus.
Genau eines von denen in das man nach einem langen Wandertag einkehren möchte.
Schon von außen strahlt es eine unbeschreibliche Ruhe und Gemütlichkeit aus.

Die Dame des Hauses öffnet.
Ich bin froh jemanden anzutreffen.
Sie spricht leider kein englisch weshalb sie nach ihrem Sohn ruft.
Ich spreche mit ihm und erkläre meine Situation.
Er übersetzt es für seine Mutter. Diese sieht mich an und winkt mich herein.
Beide sprechen miteinander. Dann erwähnt der Sohn das ich auch gern 2 oder 3 Tage bleiben kann.
Was soll man sagen.

Ich nutze die beiden Ruhetage nur um mich zu erholen. Ich verlasse auch kaum das Haus. Zum einen weil es so schön ist, ich verbringe viel Zeit auf der Veranda, im Garten und in der sehr gemütlichen Küche und schlage mir dort den Bauch voll, zum anderen weil draußen nichts los ist.
Das Meer ist weit weg...

Tag 200: Von Golden Sands nach Varna - 15Km (2275Km)


Mittwoch, 26.09.2012

Da ist er, der 200. Tag dieser unglaublichen Reise...

Nachdem Rainer vom Frühstück zurück ist, ist es nun auch für mich Zeit etwas zu essen. Er hat noch einmal seine kriminelle Energie spiel lassen und mir etwas vom Frühstücksbüffet mitgebracht.

Zu meiner Überraschung lese ich früh eine eMail von Leanne dass sie über Couchsurfing jemanden im lediglich 15Km entfernten Varna gefunden hat.
Nachdem ich gestern große Probleme hatte etwas zu finden schickte sie eine Couchsurfing Anfrage heraus.

Und dort geht es nun hin. Völlig unspektakulär und ohne besondere Vorkommnisse.

Ich bin etwas früher dran als gedacht. Die Gastgeber sind noch nicht von der Arbeit zu Hause.
Vor dem Haus ist ein kleiner Park mit Bänken.
Ich setze mich und ruhte mich aus.

Eine Dame kommt herbei und möchte mir ein Prospekt geben welches nur in bulgarischer Sprache verfasst ist.
Ich frage ob sie englisch spricht und mir erklären kann was in dem Prospekt steht.
Sie setzt sich zu mir. Es geht um eine Bibelvorlesung an diesem Freitag in der Kirche.
Es entsteht ein tieferes Gespräch.
Wir unterhalten uns über Gott und die Welt. Buchstäblich.

So ist es für uns beide z.Bsp völlig normal dass verschiedene Kulturen verschiedene Religionen haben.
Dass es ein guter Weg wäre dies zu akzeptieren anstatt die andere Religion mit Gewalt davon überzeugen zu wollen dass es nur 1nen korrekten Weg zu Gott (Oder welchen Namen die jeweilige Religion gewählt hat) gibt.

Auch das Gott auf mehrere weisen erscheint. Es wäre unangemessen zu sagen dass Gott nur auf eine korrekte Weise erscheint.
Es gibt viele Wege zu Gott. Kein Weg ist besser oder schlechter. Es ist einfach genau das. Ein anderer Weg...

Sie fragt ob sie mir bei der suche nach einem Schlafplatz helfen kann. Ich antworte dass ich für heute schon eine Übernachtungsmöglichkeit habe. Was morgen ist, ist ungewiss. Sie gibt mir 5Lev. Wir umarmen uns und wünschen uns zum Abschied alles Gute.

Radi und seine Frau welche mich aufnehmen sind von der Arbeit nach Hause gekommen und sehr geschafft. Ein wirkliches Gespräch kommt leider nicht zustande. Ich erfahre nur sehr wenig von den beiden.

Wir essen gemeinsam. Anschließend ziehe ich mich in mein Zimmer zurück und gehe zu Bett.

200 Tage... Unglaublich...

Samstag, 6. Oktober 2012

Tag 199: Von Balchik nach Golden Sands - 22Km (2260Km)


Dienstag, 25.09.2012

Ein Ruhetag wär klasse.
Die Schmerzen sind ein wenig zurück gegangen, dennoch wäre eine Gehpause hilfreich.
Einfach nur um zu ruhen und um anzukommen, in Bulgarien und wieder bei mir selbst. Theodora fragt den Manager.
Leider kann ich nicht hier bleiben.
So ziehe ich weiter.

Nicht weit entfernt ist der Ort Albena.
Albena war eine Erfahrung. Wenn auch eine von denen, die man nicht so gerne macht.
Ich hab im ganzen Ort Absagen bekommen. 18 Hotels und Pensionen.
Meine Ausdauer, Willens- und Durchhaltekraft wird erneut sehr auf die Probe gestellt.

Es geht noch einen Ort weiter.
Was soll ich sagen, in Golden Sands finde ich das gleiche Bild. Ein Hotel nach dem nächsten gibt mir eine Absage. Es ist zum verzweifeln.
Das gute: Hier gibt es überall freies Internet. Ich berichte Leanne, einer Facebook Freundin, von meiner Situation.
Sie versucht in der Zwischenzeit etwas über Couchsurfing zu organisieren.

Gerade wieder aus einem Hotel draußen, treffe ich Rainer.
Er kommt gerade vom Strand und ist auf dem Weg zurück zu seinem Hotel.
Wie wir ins Gespräch kommen, erzählt er mir dass er aus Hamburg kommt und bereits seit 2 Wochen hier ist.
Und als er meine Geschichte hört bietet er mir an dass ich das 2te Bett in seinem Doppelzimmer haben kann.
Wir müssen nur noch die Dame von der Rezeption überzeugen.
Das dauert etwas. Schließlich fast sie sich ein Herz und stimmt zu. Ich darf das 2te Bett kostenfrei nutzen.
Bedingung: Ich darf mich nirgends blicken lassen. Abendessen und Frühstück ist Tabu. Doch auch dafür finden wir später eine Lösung.
Ich bin erleichtert.

Im Zimmer angekommen falle ich in den Sessel und schiebe die Wanderschuhe ganz weit von mir weg. Anschließend gehts unter die Dusche und dann werden die Sachen durchgewaschen.

Rainer war in der Zwischenzeit beim Abendessen.
Dort hat er etwas vom Abendbuffet stibitzt und mir mitgebracht.
Das gleiche am nächsten morgen beim Frühstück.

Diesen Mann schickte der Himmel. Was bin ich dankbar.
Dafür das er da ist und dafür dass er mir seine Geschichten so bildhaft und mit so viel Liebe und Begeisterung erzählt.

Als er einmal in Barcelona war wurde er bestohlen. Es muss wohl in der Straßenbahn passiert sein. Er hat es erst später bemerkt.
Alles war weg. Sein Geld sein Ausweis.
Er hatte nicht einmal Geld um sich Wasser zu kaufen. Nichts.
Daher weiß er sehr gut wie es ist ohne Geld unterwegs zu sein.

Wir vernichten gemeinsam 2L Bier und lassen den Abend ausklingen.
Er erzählt von seiner Leidenschaft für Opern, Tenöre und dem Lesen.
Und das mit so einer Freude dass ich ihm stundenlang zuhören könnte...


Notwendige Veränderungen.
An den letzten beiden Tagen habe ich die meiste Zeit und viel meiner Energie dafür geopfert eine Unterkunft zu finden, weniger dazu um zu reisen.
Das macht keinen Spass und ich sehe mich gezwungen meine Haltung aufzugeben und die Küste zu verlassen. Ich werde etwas ins Landesinnere gehen. Weg von den Stränden und Touristen Hochburgen.

Was daraus wird, wir werden sehen...

Tag 198: Von Kavarna nach Balchik - 18Km (2238Km)


Montag, 24.09.2012

Zurück zum Meer. Das Wetter passt auch, die Sonne scheint wieder.
Eigentlich genügend Gründe zur Freude.

Dem entgegen steht jedoch dass die Schmerzen leider schlimmer geworden sind und dass ich keine Unterkunft zu finden scheine.

Balchik setzt einen neuen Rekord.
Ich sitze jetzt im 8. Hotel und hab noch keinen Erfolg gehabt.
Die Saison ist längst vorbei, fast alle Hotels leer.
Ich hatte viele Rezeptionisten dabei welche von ihrer Arbeit gelangweilt und wenig engagiert zu sein schienen.
Oft hieß es "da muss ich den Chef fragen".
Verstehe ich vollkommen dass sie/er die Entscheidung nicht allein treffen kann.
Als ich sagte, "Wären Sie bitte so freundlich und fragen ihn?", hieß es entweder: Der Chef ist grad nicht in Bulgarien oder nicht da oder da brauch ich garnicht fragen weil ich die Antwort schon weiß.
Das ist frustrierend.

Es geht weiter und es bleibt zu hoffen.
Beim nächsten Hotel hab ich nicht sofort aufgegeben.
Als ich das Hotel betrete bekomme ich schon ein Lächeln von der Dame. Ein Zeichen?
Sie trägt kein Namensschild also frage ich nach ihrem Namen und erkläre ihr in aller Ruhe meine Situation.

"Theodora, hören sie, ich gehe ohne Geld zu Fuß nach Tibet und bin bereits seit 6 Monaten unterwegs. Heute habe ich 18Km zurückgelegt und hier im Ort bereits 7 Hotels/Pensionen gefragt. Erfolglos. Ich bin erschöpft, mein Fuß tut sehr weh und ich suche eine Unterkunft wo ich mich ausruhen kann. Können Sie mir bitte helfen?"

Ich hab sie gebeten dass sie den Manager anruft und ihn fragt. Ich hab alles gegeben. Wenn es diesmal nicht klappt weiß ich auch nicht...

Und sie ist sehr engagiert. Über 4min. telefoniert sie mit der Geschäftsleitung. Ich sitze auf einer Couch im Foyer und beobachte sie. Sie gibt alles - und Theodora hat's geschafft den Manager zu überzeugen.

Erleichterung. Als ich das Zimmer betrete und die Vorhänge bei seite ziehe falle ich aus allen Wolken. Das Meer direkt vor dem Fenster.
Whow! Was für ein Zimmer!
Alle Anstrengung hat sich gelohnt.

Nachdem ich mich geduscht und ausgeruht habe schaue ich mir noch die Umgebung an. Gleich neben den Hotel ist ein wunderschöner Park wo ich es mir auf einer Bank gemütlich mache und nur noch auf's Meer schaue...

Frustrationen gehören zum Leben. Ich kann die Menschen in meiner Umgebung nicht ändern. Und die Umstände nicht immer.
Was ich ändern kann ist meine Einstellung dazu und wie ich damit umgehe. Sehe ich die Umstände als einen Grund aufzugeben oder als Chance zum wachsen und über mich hinauszugehen.

Mein Durchhaltevermögen wurde heute sehr auf die Probe gestellt.
Danke das ich die Ausdauer hatte und nicht aufgegeben habe.


Freitag, 5. Oktober 2012

Tag 197: Von Shabla nach Kavarna - 21Km (2220Km)


Sonntag, 23.09.2012

Ich hab wunderbar geschlafen. Der erste Tag wieder auf den Beinen war anstrengend.
Doch was ist das? Ein starker Schmerz im linken Fuß.

Es gibt noch ein ausgiebiges gemeinsames Frühstück, ich mache ein Foto und dann geht es los.

Es geht heut sehr langsam voran.
Nach der langen Pause in Vama Veche hab ich mir gestern mit den 27Km eindeutig zu viel zugemutet.
Mein linker Fuß tut sehr weh, deshalb gehts heut nicht so weit. 21Km sind geplant.

Das Ortsschild von Kavarna hat lang auf sich warten lassen. Umso glücklicher bin ich als ich es endlich passiere.
Dort angekommen führt mein Weg an 2 Hotels vorbei. In beiden spricht man leider kein englisch.
Ich werde auf einen Zeltplatz weiter verwiesen.

Aber ich gebe natürlich nicht auf.
Und siehe da.
Beim 3. Anlauf klappt es.
Ein super schönes Zimmer ganz für mich allein.

An diesem Tag passiert nichts mehr. Ich genieße eine Dusche und lege die Füße hoch.
Puh, geschafft.


Tag 196: von Vama Veche nach Shabla - 27Km (2199Km)


Samstag, 22.09.2012

Es ist ein kalter, stürmischer und grauer Morgen.
Der Wind der Veränderung blies stärker als die Tage zuvor.
Der Abschied fällt schwer. So wie es manchmal bei Familien ist wenn ich dort einige Tage verbracht habe, fällt es mir heute sehr schwer dieses wunderbare Land zu verlassen.

Ein kleiner Tod.
Loslassen. Mutig sein und wieder von vorn anfangen.
Ungewiss dessen was nun kommen wird.
In vollem Vertrauen, dass alles, so wie es geschieht, richtig ist.
Mit vielen sehr schönen Erinnerungen im Gepack mache ich mich also auf den Weg.

Ich treffe mich um 9Uhr im Ortszentrum von Vama Veche und wir starten los. Wir, das heißt ich und 2 weitere deutsche welche auf den Weg nach Istanbul sind.
Wir laufen gemeinsam zu dritt die wenigen Kilometer bis zur Grenze.

Der Übertritt ist Unspektakulär.
Der Polizist will nur unsere Ausweise sehen und sagt Goodbye. Das war alles.
Die beiden Jungs aus Dresden schenken mir zum Abschied noch eine Tafel Schokolade. Ein breites Grinsen.
Dann verabschieden wir uns.
Ich gehe weiter, die beiden bleiben stehen, halten den Daumen hoch und warten auf ein Auto das sie mitnimmt.

Hunger macht sich breit. Im ersten Ort nach der Grenze frage ich an einem Imbiss ob ich etwas zu Essen bekomme.
Leider nicht.
Wenige Meter weiter ist ein kleiner Kiosk wo ich erneut frage. Dort bekomme ich 3 Schokowaffeln.
Ein Erfolg. Das muss nun bis heut Abend reichen.
Es geht weiter.

Als ich eine Polizeistreife passiere werde ich noch einmal nach meinem Ausweis gefragt und wo ich hin möchte.
"Nach Istanbul" war meine Antwort.
Mit einem skeptischen Blick, jedoch ohne Probleme, geht es weiter.

Nach 27Km erreiche ich den Ort Shabla. Und bin ganz schön fertig.
Nach so einer langen Pause wieder zu gehen war nicht ohne.

Ich hab auch heute wieder eine Unterkunft gefunden.
Nachdem ich mich durch den Ort gefragt habe fand ich eine sehr nette Dame welche eine Pension betreibt. Sie spricht sogar etwas deutsch.

Mir ist kalt und ich bin sehr erschöpft. Zum einen von der langen Strecke und weil mir Energie in Form von Nahrung fehlt.
Ich lege mich aufs Bett und schlafe ca. 2h.

Es klopft an der Tür. Ob ich Hunger habe fragt mich die Dame des Hauses. Leuchten in meinen Augen.
Wenig später brachte sie mir noch Weintrauben zum Nachtisch. Danke.

Danke Bulgarien für den warmen Empfang.
Ich denke ich werde eine gute Zeit hier haben.